Was soll hier dekontaminiert werden?

Geschichte und Aktivitäten des Zentrums CZKD (Aleksandra Sekulic)

Hier meine Notizen:

* Zentrum wird am 1.1.1995 gegründet, war damals mehr noch eine Ruine,

* von Aktivisten (Kulturschaffenden, ehemalige Diplomaten), die ersten Aktionen waren Theateraufführungen, Ausstellungen,

* Zentrum war ein Fluchtpunkt, etwa bei Polizeieinsätzen in Demos gegen das Milosevic-Regime, auch in einem bildlichen Sinne: gegen die Kriegspropaganda,

* Zentrum war auch ein Sammelpunkt für Anti-Kriegs-Bewegungen (Deserteure)

* nach dem Sturz des Milosevic-Regime dachten die Leute im Zentrum, dieses wird nun die Basis für eine "mainstream Kultur", die weg vom nationalen Diskurs führt, denn

* der Nationalismus der 1940er Jahre wurde benutzt, um die Kriegsbestrebungen der 1990er Jahre zu befeuern,

* deshalb beteiligt sich das Zentrum auch am Kampf gegen den "historischen Revisionismus", der auch und gerade die Periode des Zweiten Weltkrieges umfasst. So wird etwa die Kollaboration der Cetniks mit den deutschen Besatzern relativiert (diese beginnt ab Ende 1941, zuvor waren auch die Cetniks Ant-Wehrmacht, nun jedoch gibt es eine scharfe Trennung zwischen Cetniks und Tito-Partisanen)

* an dieser Stelle berichtete Aleksandra Sekulic von einer künstlerischen Installation zum Konzentrationslager Jasenovac im von der Ustascha regierten Kroatien. Dort wurden hunderttausende Serben, Juden, Roma, politische Gegner ermordet. Diese Installation, die in Zagreb, Belgrad und Sarajevo gezeigt wurde, beinhaltete auch eine Seite Papier, auf der die Zahl der Opfer steht, auf die sich mehrere historische Exoerten gegeinigt haben. Interessant sind die jeweiligen Reaktionen auf diese Installation:

- in Zagreb gab es wütende Proteste vonseiten der Rechten, die in der Installation eine Verunglimpfung von Kroatien sahen,

- in Belgrad wurde von Besuchern die zahl der Opfer erhöht,

- in Sarajevo ging niemand hin.

* das Haag-Tribunal wird im öffentlichen mainstream als anti-serbisch wahrgenommen.

 * heute nehmen die autoritären Züge des Vucic-Regimes immer mehr zu. Das Zentrum ist für die Oppositionsbewegung ein Kristallisationspunkt für die Kommunikation untereinander

* in den Medien schreitet die Militarisierung der Gesellschaft voran, parallel dazu gibt es in der jungen Geneeration eine starke (E)Migration,

* das Zentrum ist auch Partner im folgenden Projekt: was können wir von der jugoslawischen Vergangenheit (mit all ihren Widersprüchen) für die Zukunft lernen?

* es gibt auch regionale Kooperationsprojekte (auch mit Albanern),

* das Zentrum ist auch ein Träger der Opposition gegen Einschnitte von Frauenrechten.

Während unserer Akademie lief im Zentrum gerade eine Ausstellung eines albanischen Künstlers. Deshalb war an all diesen Tagen um das Zentrum eine Polizeischutz aufgeboten. Zuweilen war für Außenstehende nicht ganz klar, wer wird hier vor wem geschützt. Auch sonst ist das Zentrum in den Medien immer wieder heftigen Angriffen ausgesetzt: Verräter! Spione! Ausländische Agenten!

Belgrad im 20. Jahrhundert:

Wer sind wir? Wo leben wir? (Olga Pintaric)

Hier wieder meine Notizen:

* Belgrad liegt am Zusammenfluß von Sava und Donau, dies bildete lange Zeit die Grenze, ein Spannungsfeld von Verbindung und Trennung, von Kooperation und Konfrontation,

* Serbien ist einer der wenigen Staaten, dessen Hauptstadt über eine lange Periode an der Grenze liegt,

* erst ab 1918 geht Serbien / Belgrad über diese Grenze hinaus, es entsteht Neu-Belgrad,

* noch zu Beginn des Ersten Weltkriegs haben die österreichischen Truppen Belgrad direkt und unmittelbar jenseits der Grenze (Sava-Donau) beschossen,

* während der NS-Okkupation befinden sich auf dem Gebiet der Stadt drei Konzentrationslager,

* Tito-Jugoslawien versteht sich als Beitrag zum Frieden, zur Entspannung im Kalten Krieg, Belgrad wird zum ersten Mal in der Geschichte zu einem Träger des Einsatzes für Frieden, dies manifestiert sich auch in Gebäuden,

* zu den Kriegen in den 1990er Jahren: Verbrechen auf allen Seiten, jedoch die Verantwortung, dass es zum krieg gekommen ist, liegt eindeutig bei Serbien, diese serbische Verantwortung wird vom mainstream nicht anerkannt,

* Problem Kosovo: seit 1981 immer nur mit Gewalt angegangen,

* seit zwei Jahren wird das NATO-Bombardement öffentlich angesprochen: die Helden werden herausgestrichen, Serbien als das große Opfer dargestellt,

* so auch die Darstellung der NATO-Bomben auf die TV-Station: jetzt wird die Verantwortung ausschließlich auf die NATO geschoben, die Verantwortung vom Direktor bis hin zu Milosevic wird nicht mehr erwähnt (früher schon),

* es gibt einen Wendepunkt in der historischen Sichtweise, das war 2014, der 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs, als Reaktion auf das Buch des australischen Historikers Christopher Clark ("Schlafwandler"). Der ganz überwiegende Teil der serbischen Öffentlichkeit hat dieses Buch (das ja in ganz Europa eine enorme Wirkung mit großer Reichweite erzielt hat) wie folgt interpretiert: "Wir werden darin als Kriegsgrund präsentiert, und das waren wir nicht!" Diese Sichtweise wurde dann herauf bis zu den Kriegen in den 1990er Jahren gezogen: "Wir sind auch jetzt nicht die Hauptverantwortlichen gewesen!" Diese Sichtweise wird explizit unterstützt vom Rußland des Putin-Regime.

* unter Historikern gibt es starke Gruppen (meistens Frauen), die diese klare Hauptverantwortung für die 1990er Jahre aufzeigen, wenngleich sie das nur in Publikationen mit Mini-Auflagen und nicht in den großen Massenmedien präsentieren können,

* Serbien ist heute der "kranke Mann" vom Balkan

Was hilft schwierige Geschichten zu erzählen? Warum sollten wir das tun?

Christoph Schmidt-Lellek: Thesen zum Buch von Yuval Noah Harari
Christoph Schmidt-Lellek_ Thesen zu Hara
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Christoph Schmidt-Lellek: Thesen zu den Arbeiten von Dan Bar-On
Christoph Schmidt-Lellek_Thesen zu Dan_B
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Klaus Pumberger: Vierzig Jahre später. Über den schwierigen Umgang mit belastenden Geschichten.
Klaus Pumberger_40_Jahre_These.pdf
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