Das katalanische Kino: Film "Salvador" (2006)

Filmkritik von Harald Witz (in: www.moviemaze.de)

Gegen Ende der Franco-Diktatur radikalisieren sich die Studenten zu terroristischen Kampfgruppen, die ihren Widerstand durch Banküberfälle finanzieren. Als der radikale Katalane Salvador Puig Antich (Daniel Brühl) in eine Polizeifalle tappt, wird ein Beamter getötet. Das Justizsystem beschliesst ein Exempel zu statuieren. Manuel Huerga porträtiert in seinem Drama Salvador - Kampf um die Freiheit einen spanischen Terroristen und Freiheitskämpfer. Ein anspruchsvoller Versuch über Extremismus und Menschlichkeit.

Bild aus Salvador - Kampf um die FreiheitDen Spanischen Faschismus kennt man hierzulande kaum noch. Die Jahrzehnte der Franco-Diktatur liegen längst verschüttet unter Strandpromenaden und Obstfabriken an der Algave. Außerdem gibt es ja die ETA, die das moderne Spanien und unsere Medien in Atem halten. In Spanien selbst ist Francos Diktatur bis Mitte der Siebziger Jahre und ihre Auswirkungen noch immer präsent. Noch immer wird jede Zuckung der Militärs und jede kleine Krise mit Argwohn betrachtet und nach Anzeichen faschistischer Tendenzen durchforscht. Von Portugal schwappte damals das revolutionäre Denken kommunistischer Ausprägung auf den Rest der iberischen Halbinsel über und führte zur selben Radikalisierung im Gefolge der 68er-Bewegung überall in Westeuropa. Nur hatten die spanischen Radikalen ein leicht erkennbares Ziel dank Francos harter Knute.

Manuel Huerga nimmt diese Exposition als bekannt hin, wenn er mit Salvador - Kampf um die Freiheitüber das Leben des Terroristen Salvador Puig Antich berichtet. Der Sproß einer gutbürgerlichen Familie pfeift irgendwann aufs Studium in Madrid und auf die endlosen Diskussionen in den Studentenzirkeln. Er will handfesten und organisierten Widerstand gegen Francos Regime und greift dafür zur Waffe. Erste Überfälle auf Banken verlaufen eher peinlich, bis seiner Gruppe von Profis aus dem französischen Exil gezeigt wird, wie man so was macht.

Der Erfolg und der Aufbau revolutionärer Strukturen machen ihn zwar stolz, aber das Leben im Untergrund hat auch seine Schattenseiten. Romantik, Liebe oder gar eine Beziehung sind schwierig bis unmöglich. Als Salvador (Daniel Brühl) es doch versucht, zieht sich die Schlinge der Geheimpolizei um ihn enger. Bevor sich die Gruppe nach einem misglückten Überfall über die Grenze absetzen kann, wird er geschnappt und landet im Gefängnis. Weil ein Polizist bei der Aktion ums Leben kommt, soll an Salvador ein Exempel statuiert werden. Zwar kämpfen sein Anwalt Oriol Arau (Tristan Ulloa) und bald eine internationale Bewegung für sein Leben, aber der Henker baut bereits eine Garotte für die Hinrichtung...

Filme über Terrorismus gibt es mittlerweile einige. Den deutschen Beiträgen haftet oft genug der Makel an, sich auf menschliche Dramen oder gar Komödien zu reduzieren. Das politische Element, der Kern der Radikalisierung, bleibt meist unangetastet und unerörtert. Die Hauptfiguren sind eben Terroristen wie andere eben Bäcker oder Metzger (siehe Baader, Die Stille nach dem Schuß). Diese Entpolitisierung kann der spanische Regisseur Manuel Huerga vor allem in der ersten Hälfte vermeiden. Dezidiert erzählt er vom langsamen Abstieg des Salvador Puig Antich, überzeugend gespielt vom Deutschen Brühl dank spanischer Wurzeln. Von der Radikalisierung und den hehren Zielen, von der Leichtigkeit, mit der der bürgerliche Antich seine Verachtung auf die Mächtigen projizieren kann. Huerga filtert es mit einfachen Mitteln heraus: Antich kämpft mit denselben Mitteln und dem Dogmen wie die erste RAF-Generation und andere radikale Grupen dieser Zeit überall in Europa. Diese Parallele offen zu legen, ist mutig, denn das fordert die Auseinandersetzung mit dem Gedankengut und den Motivationen heraus.

Manuel Huerga tauscht mit Bedacht immer wieder die Begriffe Freiheitskämpfer, Revolutionär und Terrorrist, was in Bezug auf die moderne, inflationäre und vor allem sinnentleerte Benutzung des Begriffes Terrorismus wie ein Affront wirkt. Der intellektuelle Unterbau dieser Inszenierungsstrategie offenbart sich in der zweiten Hälfte der beklemmenden und atmosphärisch bewegenden Geschichte. Aus dem Täter, der nach dem Leben außerhalb der Normen ausgebremst im Gefängnis landet, wird wieder zum Mensch. Und stellvertretend für jeden, dem das Abstempeln einer Person zum simplen Bösewicht so leicht fällt wie das Atmen, muss Gefängniswärter Jesus (Leonardo Sbaraglia) die Zerstörung der eigenen Vorurteile und die aufkeimende Freundschaft zu einem Staatsfeind erleben. Dialog als Strategie zum Abbau von Hass und Vorurteilen, das erinnert an Goodbye Bafana. Allerdings entlarvt Huergas sensible Regie Bille Augusts beeindruckendes Nelson Mandela-Drama als oberflächlich.

Der Wechsel auf die emotionale Ebene und die Fokussierung auf das persönliche Drama, besonders die Familie und Freunde, wird zum Gegenentwurf der vorangegangenen Geschehnisse. Aus dem Kampf der Ideen und dem realen bewaffneten Kampf wird eine erbarmungslose Tragödie, immer nah am Protagonisten, der um seine Ohnmacht wissend, dem Schicksal der ultimativen Machtausübung offen entgegentritt.

Salvador - Kampf um die Freiheit ist ein ergreifender und nachdenklicher Film, der die Grenzen des Konsens' über die Auseinandersetzung mit Terrorismus weiter aufbricht als jeder andere filmische Beitrag der letzten Jahre. Gleichzeitig ist es ein intensives menschliches Drama, in dem Daniel Brühl einmal mehr sein Können demonstriert. Dafür sind 136 Minuten gerade kurz genug.