Erster Akademie-Tag

Am Vormittag unternahmen wir eine Ortsbestimmung: Das Schlachtfeld von Verdun. Zur Schlacht selbst siehe die beiden folgenden Interviews mit den beiden Historikern Gerd Krumeich und Olaf Jessen, erschienen in der deutschen Wochenzeitung "Die ZEIT" (am 3. März 2016) sowie im deutschen Wochenmagzion "Der SPIEGEL" (am 16. Februar 2016):

Die Schlachrt von Verdun
Interview mit dem Historiker Gerd Kumreich
Verdun_Gerd_Krumeich.pdf
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Die Schlacht von Verdun
Interview mit dem Historiker Olaf Jessen
Verdun_Olaf_Jessen.pdf
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Fort de Vaux

Zunächst besuchten wir das Fort de Vaux, eines von mehreren, das direkt und monatelang im Jahr 1916 an der Frontlinie lag.

Weitere Fotos vom Fort de Vaux siehe Menüleiste "Erkundungen".

Douaumont - Beinhaus und Soldatenfriedhof

Anschließend fuhren wir zum Beinhaus von Douaumont, auf einer Anhöhe, zu der sich auch der große Soldatenfriedhof hinzieht.

Weitere Fotos zum Beinhaus in Douaumont sowie zum dortigen Soldatenfriedhof siehe in der Menüleiste "Erkundungen".

Memorial von Verdun

Am Nachmittag stand dann die Besichtigung des Memorial von Verdun auf dem Programm. Dieses liegt ebenfalls mitten im Gebiet des ehemaligen Schlachtfeldes. Die Ausstellung führt die Besucher und Besucherinnen unmittelbar und direkt in den Krieg hinein.

Einen sehr plastischen und umfassenden Eindruck vom Memorial von Verdun findet sich auf dessen Website:

http://memorial-verdun.fr/de/

Verschwundene Dörfer

Vom Memorial gingen wir weiter in ein Waldstück, in dem sich vor der Schlacht von Verdun ein Dorf befunden hat, das jedoch in Folge der schweren, monatelangen Kämpfe nicht nur völlig zerstört, sondern auch verschwunden ist. Von diesen gibt es im Gebiet des ehemaligen Schlachtfeldes mehrere. Nur einzelne Tafeln im Wald weisen darauf hin, dass sich an dieser Stelle ein Bauernhof, eine Bäckerei, eine Schule etc. befunden hat. Zugleich versucht Frankreich, zumindest auf einer symbolischen Ebene, die Existenz dieser Dörfer aufrechtzuerhalten. So hat jedes dieser "verschwundenen Dörfer" einen Bürgermeister. Auf einem eigenen Friedhof auf dem Gebiet dieses "verschwundenen Dorfes" hat sich vor einigen Jahren einer dieser Bürgermeister auch begraben lassen. Mehr dazu auf folgendem link:

https://www.zeit.de/wissen/geschichte/2014-04/fs-verdun-erster-weltkrieg

Weitere Fotos zu den "Verschwundenen Dörfern" finden sich auf der Menüleiste "Erkundungen"

Zweiter Akademie-Tag

Im Mittelpunkt des zweiten Akademie-Tages stand die Frage: Was haben die beiden Weltkriege mit mir zu tun? (Näheres zu persönlichen Erfahrungen aus dem Kreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer siehe die Menüleiste "Familien und der Krieg")

Dabei zeigte sich für mich, dass sich im Teilnehmerkreis mehrere Gruppen als Repräsentanten verschiedener Generationen wiederfanden:
* "Kriegskinder" (während des Zweiten Weltkrieges bzw. unmittelbar danach geboren): in ihren Erzählungen ist auch heute noch der Krieg und die damit verbundenen Ereignisse sowie Folgen sehr massiv präsent.
* "Kriegsenkel": Söhne und Töchter der zuvor angeführten Generation.
* Teilnehmer und Teilnehmerinnen (TN) aus der Generation, deren Großeltern bereits nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geboren sind.
* Teilnehmer und Teilnehmerinnen (TN) aus der Schweiz, für die der Krieg aufgrund der eigenen Erfahrungen und Geschichte nicht das Referenzsystem darstellt, als für TN aus Deutschland und Österreich. Ein Teilnehmer aus der Schweiz hat für die Diskussion einen Artikel mit dem Titel "Unser Schweizer Standpunkt" eingebracht, der von Carl Spitteler (1845 bis 1924) - studierter Theologe, Lehrer, Redakteur, freier Journalist, freier Autor, Literaturnobelpreisträger - am 14. Dezember 1914 verfasst worden ist. Es folgt der gesamte Text als download-pdf sowie  ein kurzer Auszug:

Unser Schweizer Standpunkt
Carl Spitteler, 14. Dezember 1914
Erster Weltkrieg_Unser Schweizer Standpu
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"Die richtige Haltung zu bewahren ist nicht so mühsam, wie sich´s anhört, wenn mans logisch auseinanderlegt. Ja! Wenn man´s im Kopf behalten müsste! Aber man braucht es gar nicht im Kopf zu behalten, man kann es aus dem Herzen schöpfen. Wenn ein Leichenzug vorüber geht, was tun Sie da? Sie nehmen den Hut ab. Als Zuschauer im Theater von einem Trauerspiel, was fühlen Sie da? Erschüttterung und Andacht. Und wie verhalten Sie sich dabei? Still, in ergriffenem, demütigem, ernstem Schweigen. Nicht wahr, das brauchen Sie nicht erst zu lernen? Nun wohl: eine Ausnahmegunst des Schicksals hat uns gestattet, bei dem fürchterlichen Trauerspiel, das sich gegenwärtig in Europa abwickelt, im Zuschauerraum zu sitzen. Auf der Szene herrscht die Trauer, hinter der Szene der Mord. Wohin Sie mit dem Herzen horchen, sei es nach links, sei es nach rechts, hören Sie den Jammer schluchzen, und die jammernden Schluchzer tönen in allen Nationen gleich, da gibt es keinen Unterschied der Sprache. Wohlan, füllen wir angesichts dieser Unsumme von internationalem Leid unsere Herzen mit schweigender Ergriffenheit und unsere Seelen mit Andacht, und vor allem nehmen wir den Hut ab. Dann stehen wir auf dem richtigen neutralen, dem Schweizer Standpunkt."

Ausstellung: "Vom Frieden zu einem weiteren Krieg"

Als weitere Inspiration für unsere Gespräche haben wir am späteren Vormittag im Weltzentrum die aktuelle Ausstellung "Was bleibt vom Ersten Weltkrieg?" besichtigt. In den verschiedenen Ausstellungsräumen wird jeweils ein Thema in den Vordergrund gestellt:

* Die zerstörte Generation
* Soldaten im Alltag
* Kinder im Alltag

* Eine Gesellschaft im Umbruch

* Eine Zeit der Entwicklung und Förderung

* Kulturelles Erbe

* Verdun

* Vom Frieden zu einem weiteren Krieg

Am späteren Nachmittag haben wir in Kleingruppen gearbeitet und uns dabei mit den Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges bis in die Gegenwart beschäftigt, in Familien, Individuen und Gesellschaft. Ich selbst habe an der Kleingruppe "Familie" teilgenommen, dabei stand der Aspekt des Schweigens im Mittelpunkt. Woher kam es? Welche Funktion hatte es? was passiert, wenn jemand innerhalb der Familie das Schweigen überwindet?  

Am Abend des zweiten Akademie-Tages sahen wir den Film "Der stille Berg" (Näheres dazu siehe Menüleiste "Film")

Dritter Akademie-Tag

Im Mittelpunkt des letzten Akademie-Tages stand die Frage: Was machen die heutigen Krieg mit mir?
Zum Einstieg berichtete Verena Gruber von ihren Erfahrungen im Irak in Kurdistan an der Front im Krieg gegen die IS in den Jahren 2014-2015.

Im anschließenden Gespräch trat ein neuer Fokus in den Vordergrund. Stand in den ersten beiden Tagen mehr die Frage im Zentrum, was sind die Nachwirkungen der beiden Weltkriege bis in die Gegenwart, so wurde nun intensiv diskutiert, wer entscheidet eigentlich, dass es Krieg gibt, wie kommt die Entscheidung zum Krieg zu Stande. Eine These lautete: alle politischen und gesellschaftlichen Ebene müssen auf Krieg ausgerichtet sein, gleichgeschaltet werden, dies ermöglicht dann die Entscheidung zum Krieg. Umgekehrt bedeutet dies, wenn es gelingt, auf mehreren Ebenen anhaltend Widerstand gegen Krieg aufrechtzuerhalten bzw. zu entwickeln, dann vergrößert sich die Chance, Krieg zu verhindern oder ihn zumindest so schnell wie möglich wieder zu beenden.

 

Am Nachmittag sahen wir den Film "Frantz" (siehe die Menüleiste "Film"), ebenfalls mit anschließender Diskussion. Es folgte dann die Abschlußrunde. Dabei war für mich besonders die Erzählung von mehreren Teilnehmern und teilnehmerinnen berührend, dass sie in den letzten Tagen jeweils eine Kerze angezündet haben. So berichtete eine Teilnehmerin, sie habe für alle Mütter eine Kerze angezündet, die hier in Verdun Söhne verloren haben. 

Mein Resümee

Im Anschluß an unsere Akademie in Verdun bin ich öfters gefragt worden: mit welchem Gefühl bist du aus Verdun weggefahren? Dann habe ich immer geantwortet: nicht mit einem bedrückten, sicherlich mit einem nachdenklichen, es gibt immer noch die Nachwirkungen (siehe die "verschwundenen Dörfer").

Zugleich ist in Verdun spürbar, dass in den letzten Jahrzehnten der jahrhundertelange Kreislauf der Gewalt durchbrochen werden konnte. Seit 1945 ist keine neue Gewalt dazugekommen, du spürst die Befriedung, und auch die Überwindung der Erzfeindschaft zwischen Frankreich und Deutschland. So ist Verdun auch zu einem Ort der Versöhnung geworden, mit Gesten (etwa das Hände reichen über die Gräber der gefallenen Soldaten hinweg zwischen Kohl und Mitterrand), die in das kollektive Gedächtnis eingegangen sind.