Aktivitäten
Erzählungen während des Stadtrundgangs
Wir hörten je eine identiditätssiftende kollektive Erzählung an vier Orten der Stadt zu folgenden Themen, die uns über die Tage der Akademie weiter begleitet haben:
* Geschichte der Roma (vorgetragen von der Schriftstellerin Luminita Cioba in der von ihr und ihrem Vater initiierten Pfingstler-Kirche)
* Siebenbürger Sachsen - Deportation 1945
Der evangelische Pfarrer aus Solzenburg / Slimnic las uns dazu in der Aula der Brukenthal-Schule eine Geschichte aus seinem Werk vor, die schildert, mit viel Glück und dank der Unterstützung aus der rumänischen Nachbarschaft seine Mutter knapp der kollektiven Deportation im Januar 1945 entging.
* Ungarn in Rumänien nach 1918
Dazu las uns Frau Lilly Krauss-Kalmár im Haus der Ungarischen Verbandes am Großen Ring eine Geschichte vor. Ihr Mann, Herr Zoltán Kalmár (links neben ihr), war nach 1989 jahrelang Präsident des Ungarischen Verbandes in Hermannstadt / Sibiu.
* Revolution in Rumänien 1989
Der ehemalige Professor Friedrich Philippi am Brukenthal-Museum las uns in der Aula aus seinem eigenen Augenzeigenbericht (damals verfasst als Brief) zu den dramatischen Tagen der Revolution im Dezember 1989 in Hermannstadt / Sibiu vor. Diese persönliche Sichtweise hinterließ bei allen einen sehr nachdenklichen und zugleich sehr betroffen machenden Eindruck. Für mich neu: ich dachte bisher immer, Kämpfe gab es nur Bukarest und in Timisoara. So verstehe ich jetzt besser, warum in Rumänien im Gegensatz zu anderen Ländern nach 1989 noch so lange eine Gefühl der Unsicherheit und Instabilität angehalten hat.
Während und nach dem Mittagessen haben wir mit unseren Erzählern und Erzählerinnen weitere Geschichten vor Ort erkundet und anschließend im Plenum präsentiert. In die Gespräche mit den Kundigen haben wir folgende Leitfragen mitgenommen:
* welche Funktion haben identitätsstiftende kollektive Erzählungen?
* ein- bzw. ausschließend?
* bringen sie uns der Wahrheit näher näher oder führen sie uns davon weg? Wenn letzteres, was hat das wiederum an Funktion, an Bedeutung?
* was belnden sie aus? was verschweigen sie? was verhindern sie?
* bringen sie Menschen zusammen oder führen sie auseinander?
* fördern sie die Fähigkeit zur Kooperation oder fördern sie die Abgrenzung?
Vorträge
Christoph Schmidt-Lellek, Frankfurt am Main
"Die Komplexität identitätssiftender kollektiver Erzählungen in ihrer gesamten Bandbreite"
Lorand Madly, Cluj / Klausenburg
"Rumänien einer politischen Historie"
Dirk Manzke, Osnabrück
"Die Europäische Stadt als identitätsstiftende Ikone"
Senad Halilbasic, Wien
Die neue rumänische Welle - Filmische (Re-)konstruktionen der Vergangenheit. Einleitung zu: Tales from the Golden Age (Ro/FRA 2009)
Klaus Pumberger, Wien
"Die Akademie an der Grenze - ein Projekt in Europa. Aktuelle Entwicklungslinien"
Mehr zu den Vorträgen (inklusive download) unter der Menüleiste "Vorträge"
Filme
Schon am ersten Abend haben wir zur Einstimmung zwei Kurzgeschichten aus "Tales from the Golden Age" (siehe dazu den Text von Senad Halilbasic auf der Menüleiste "Film").
Am Nachmittag des zweiten Akademietages sahen wir dann "Romany Tears" (by Foundation Social-Cultural of Roma "ION CIOBA"). Dieser Film zeigt auf der Basis von Interviews
mit Betroffenen die Tragödie der Deportation der Roma nach Ransnistrien zwischen 1943 und 1945.
Am Abend sahen wir dann den Film "Der geköpfte Hahn" (nach demgleichnamigen Roman von Eginald Schlattner). Mehr dazu auf der Menüleiste "Film"
Erkundungen - mitten in der Stadt
Am dritten Akademietag bildeten wir vormittags vier Gruppen und machten uns gemeinsam mit Kundigen auf die Suche nach weiteren identitätsstiftenden Erzählungen; dieses Mal in anderen Ausdrucksformen:
(1) Musik
Zunächst stellten uns Gertrude und Gerhard Braisch zwei traditionelle Siebenbürger Sachsen-Lieder vor; anschließend machten wir uns auf den Weg zu Musikgeschäften.
(2) Medien
Zu diesem Thema diskutierte eine Gruppe mit der Chefredakteurin der "Hermannstäfter Zeitung", Beatrice Ungar, an Hand von historischen und aktuellen Ausgaben dieser Wochenzeitung.
(3) Religionsgemeinschaften
Diese Gruppe besuchte zunächst die ökumenische Stiftung "healing of memories", sprach mit deren Sekretärin, Frau Rotraut Barth; dann folgte eine Führung durch das Museum im Teutsch-Haus durch Pfarrer Rehner mit anschließendem Gespräch.
(4) Museum
Eine weitere Gruppe besuchte Frau Liviana Dan, Abteilungsleiterin für moderne Kunst im Brukelthal-Museum. Einem Rundgang folgte auch hier das Gespräch.
Mehr dazu in der Menüleiste "Erkundungen"
Erkundungen - mitten im Dorf
Am Nachmittag waren wir dann in Stolzenburg / Slimnic, wo uns Pfarrer Seidner schon erwartete. Er führte uns durch das Dorf:
(1) Auf der Fluchtburg
(2) in der evangelischen Kirche
(3) in der orthodoxen Kirche, durch die uns der Pope führte
(4) zu Hause bei der Familie des Popen, seiner Frau und seinen beiden Töchtern. Nach Kaffee und Kuchen, einem Schwatz folgte zunächst ein musikalisches Duett zwischen evangelischem Pfarrer und orthodoxem Popen, das sein grandioses Finale im Solo des Popen auf italienisch - O sole mio!! - fand.
Mehr dazu wiederum in der Menüleiste "Erkundungen".
Lesungen
Der dritte Akademietag fand seinen gekonnten Abschluss mit einer wunderbaren und sehr gelungenen szenischen Lesung von Carmen Elisabeth Puchianu aus Kronstadt / Brasov zum Thema "Mythos und Literatur" im Restaurant "Weinkeller im Bußwinkel" mit einem sehr anregenden Ambiente. Mehr zu den Texten von Carmen Elisabeth Puchianu in der Menüleiste "Literatur".
Eine weitere - öffentliche - Lesung fand zum Abschluss der Akademie im Tagungshaus der Evangelischen Akademie statt. Es lasen:
* Dirk Manzke (siehe Menüleiste "Architektur")
* Walther Gottfried Seidner
* Hamid Sadr
* Luminita Cioaba
Mehr zu diesen Texten wiederum auf der Menüleiste "Literatur". Ergänzt wurden diese Vortragenden um einen Text unseres Akademikers Jurko Prochasko zu Lemberg.
Diskussionen
Am Vormittag des letzten Akademietages folgte zunächst in drei Kleingruppen - und dann im Plenum - zusammen mit drei Kundigen (Carmen Elisabeth Puchianu, Walther Gottfried Seidner und Lorand Madly) eine Diskussion zu den Thema:
Miteinander teilen oder aufteilen?
- Finden wir in Rumänien ein Integrationsmodell für die verschiedenen Odentitäten in Europa?
- Welche Bedingungen bräuchte ein solches Modell?
Mehr zu den Ergebnissen auf der Menüleiste "Diskussionen"
Erzählcafé Europa in der Akademie
Ihre Abrundung fand auch diese Akademie in ihrem Erzählcafé Europa: "Wir erzählen uns unsere persönlichen identitätsbildenden Geschichten nd stellen sie in einen europäischen Zusammenhang."
"Stellen Sie sich vor, man setzt heute einen Deutschen, einen Briten, einen Tschechen und einen Spanier um den Tisch und lässt die Geschichten ihrer Familien erzählen. Da begreifen wir doch etwas voneinander. Längst nicht alles, denn wir sind ja unterschiedlich. Aber beim Erzählen und Zuhören können wir doch wieder normale Menschen werden." (Geert Mak, holländischer Journalist, Autor des Buches "In Europa", Träger des Leipziger Buchpreises zur europäischen Verständigung 2008).
"Ich träume von einem europäischen Kaffeehaus, vom großen Tisch, an dem sie sitzen, die Europäer. Einander zuhören und im Labyrinth der Wörter, der Wege und Bilder, in all den verschlungenen Linien das eigene Gesicht erkennen." (Geert Mak)